„George“ die Ersatzlokomotive

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„Etelka“ war in den Wintermonaten wegen hohem Wärmeverlust unwirtschaftlich. Zur Überbrückung der kalten Jahreszeit, hatte Muschong eine ebenfalls 2-achsige Lok angeschafft, die aber mit einem Verbrennungsmotor ausgestattet war. Es ist uns bis jetzt noch nicht gelungen, eine Gesamtansicht als Originalbild der Motorlokomotive „George“ zu beschaffen. Der Hersteller dieser Lok war mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit die Firma DEUTZ, die damals auch die Marktführerschaft für Kleinlokomotiven und dessen Motoren besaß. (Taiki-Bácsi hatte an seinem Holzschneider auch einen Deutz-Motor, allerdings ein paar Nummern kleiner.) Die Bilder unten sind dem Original, nach Aussagen von Josef Löffler und Adalbert Weigang sehr ähnlich. Es konnten kaum Unterschiede festgestellt werden.
Trotz Verbrennungsmotor hatte aber auch „George“ in den kalten Winternächten seine Anlaufschwierigkeiten.
Josef Löffler hatte während seiner Schlosserlehre (Ausbildung) bei Muschong, auch auf dieser Lok Dienst geleistet und erinnert sich heute noch an die schweren Morgenstunden vor dem „Anwerfen“ der Lok:

„Als aller erstes mussten wir den Zündflansch (die heutige Zündkerze) ausbauen und ihn von eindringendem Kühlwasser säubern. Ein gesunder Zündfunke war davon abhängig. Auch aus dem Brennraum musste das über Nacht angesammelte Kühlwasser mit einem Lappen entfernt werden. Nachdem alles gesäubert war, schraubten wir alles wieder zusammen und gingen zum eigentlichen Startvorgang über. Vor dem Zusammenbau des Zündflansches hatten wir noch ein Baumwollfetzen mit Benzin befeuchtet und ihn angezündet. Die entstandene Glut (ohne Flamme) hatten wir durch die Flanschöffnung, im Brennraum des Motors gestopft. Dieser Trick hatte durch die lang anhaltende Glut die gleiche Wirkung wie ein guter Zündfunke und erleichterte dadurch das Starten des Motors. Ein anderer Trick der auch eine sehr gute Wirkung gezeigt hatte, war das Aufwärmen des Zylinderkopfes mit einer Benzinlampe.
In den Wintermonaten mit klirrender Kälte, war ein Neustart ohne diese Tricks, gar nicht denkbar.“

Gesamtansicht einer Deutz - Motorlokomotive der gleichen Baureihe wie unser „George“
Prinzipdarstellung der Motorlokomotive

Gesamtansicht einer Deutz - Motorlokomotive der gleichen Baureihe wie unser „George“
- Sammlung Ottmar Löffler -

Prinzipdarstellung der Motorlokomotive
- Sammlung Alfred Martini -

Auch schwarz wie die pfiffige „Etelka“ war die Motorlokomotive, jedoch schneller abfahrbereit. „George“ war auch etwas kürzer als die „Etelka“. Der Verbrennungsmotor war für Schwerbenzin ausgelegt und hatte 1 Zylinder mit einem Kolbendurchmesser von ca. 200 mm. Auf jeder Seite der Lok befand sich ein Schwungrad. Zum Anwerfen dieses Motors waren die Kräfte von 2 Männern erforderlich. Einen Akku-Anlasser gab es nicht. An der rechten Außenseite musste man eine große Kurbelstange einschieben und mit voller Kraft das Monstrum durchdrehen.
Das Anwerfen des Motors lief folgendermaßen ab: Als erstes war der Dekompressor zu aktivieren. Durch diesen Vorgang überlistete man eigentlich den Motor beim Starten. Es wurde dadurch verhindert, dass die Ventile am Zylinderkopf schließen. In Folge dessen musste man während des Kurbelns nicht die Kompression des Riesenkolbens überwinden, man konnte den Motor manuell auf seine Startdrehzahl bringen. Als die Startdrehzahl erreicht war, löste man den Dekompressor-Hebel, die Ventile arbeiteten wieder, Kompression wurde erzeugt, und „George“ fing an mit Qualmwolken zu puffen. Wenn der Startvorgang misslungen war, wiederholte man die ganze Prozedur.

Wegen des einzigen Zylinders, den die Lok besaß, war die Belastung auf den Zahnrädern des Getriebes (s. Skizze) sehr unausgeglichen. Dies führte zu einem Geräusch, das man leicht mit einem Jaulen vergleichen konnte.

Adalbert Weigang erinnert sich: „Als ich noch ein kleines Kind war, hörte ich die Bahn an ihren Geräuschen schon von weitem kommen und rief: Die Samm-Samm kommt! Ich rannte dann schnell zum Gartenzaun um das Spektakel nicht zu verpassen.“

Motoransicht von vorn
Motoransicht von hinten
Motoransicht von vorn
- Sammlung Ottmar Löffler -
Motoransicht von hinten
- Sammlung Ottmar Löffler -

Diese Bilder stammen aus dem Dampflokmuseum Bochum – Dahlhausen. Hier ist die oben gezeigte Lok ausgestellt, allerdings mit abgenommener Karosserie. Die Mitarbeiter des Museums bemühen sich, diese Motorlokomotive in einem betriebsfähigen Zustand zu versetzen. Josef Löffler hat auch an diesen Bildern alle Details ohne Schwierigkeiten wiedererkannt. Es ist hier ohne jeden Zweifel ein Zwillingsbruder von „George“ ausgestellt.

Die Generalüberholung der Motorlokomotive fand in der warmen Jahreszeit statt. Bei eventuellen Reparaturausfällen ergänzten sich „Etelka“ und „George“ zu jeder Jahreszeit gegenseitig.

Das genaue Anschaffungsdatum der Lok „George“ ist uns leider unbekannt. Wir wissen jedoch, dass ihr Spitzname gleich nach ihrer Anschaffung „Otto“ hieß, ein einleuchtender Name, da die Benzinmotoren allgemein auch Otto-Motoren genannt werden (Nach dem Erfinder des Benzinmotors Otto, Nikolaus August. Ing. Rudolf Diesel erfand 1893 den Diesel-Motor). Wie man doch diese Motorlokomotive in Verbindung mit dem Spitznahme „George“ bringt ist uns ebenfalls unbekannt.

Die hölzerne Bahnhofsbrücke und das alte Wärterhaus um 1926
Die hölzerne Bahnhofsbrücke und das alte Wärterhaus um 1926

Frühmorgens zitterten die Busiascher Fahrgäste im kleinen Waggon in der Hoffnung, dass „George“ doch noch den Lugoscher oder Temesvarer Zug erreichen wird. Wenn sich „George“ wegen seinen Startschwierigkeiten verspätete, ließ man den Lugoscher Zug vorrangig einfahren und die „Kleine Bahn“ musste am Signal vor der hölzernen Bahnhofsbrücke (Foto oben) warten. Die Betriebsfähigkeit der Streckenabschnitte außerhalb des Bahnhofes garantierten insbesondere die Bahnwärter, die mit Haus und Hof an der Bahnlinie postiert waren (Foto oben).
Ihre Aufgabe war es, auf regelmäßigen Kontrollgängen den einwandfreien Zustand eines Gleisabschnitts zu überprüfen und gegebenenfalls auch durch eigene Handarbeit wieder herzustellen.

Eine sehr ähnliche Lokomotive befand sich bis 1947 bei der Marienbahn auf der Ostfriesischen Insel Norderney. Zu beachten! Die Motorhaube ist geöffnet und die zwei Männer im Vordergrund betätigen sich gerade an der Kurbel. Die Lok wird vermutlich gestartet.
Norderney 1935. Ankunft einer Motorlokomotive für die Marienbahn
Norderney 1935. Ankunft einer Motorlokomotive für die Marienbahn

Das Umsetzen der Motorlokomotive am Bahnhof

In den kalten Wintermonaten war das Umsetzen der Lok am Busiascher Bahnhof eine lästige Angelegenheit, da „George“ bekannterweise sehr langsam war. Josef Löffler, damals Aushilfe als Mechaniker auf der Lok, erinnert sich: „Ein Abkoppeln der Lok vor dem Bahnsteig, eine Fahrt bis zur Weiche gegen Bakowa, zurückfahren auf ein (freies) Parallelgleis bis zur Weiche gegen Lugosch und dann wieder zurück am Bahnsteig zum ankoppeln, hätte viel zu lange gedauert. Um uns das alles zu ersparen, hatten wir ein einfaches, aber nicht ganz ungefährliches „Manöver“ angewendet: Bei der Einfahrt am Bahnhof hielten wir den Zug gleich nach der Brücke an (Fig.1).

Fig.1
Fig. 1

Mitru-Bácsi, (Jurca Dumitru) der damalige Schaffner ist aus dem Personen-wagen ausgestiegen, hatte die Lok abgekoppelt und ist anschließend zur Bremskurbel wieder aufgestiegen. Der „Packelwagen“ besaß überhaupt keine Bremse. Ein entscheidender Vorteil war für uns die Tatsache, dass es zwischen Brücke und Bahnsteig bergab ging. Wir fuhren dann mit der Lok auf dem Hauptgleis bis kurz nach der Weiche weiter und hielten dort an. (Fig.2)

Fig.2
Fig. 2

Ob das Hauptgleis belegt war oder nicht, spielte für uns keine Rolle. Die Weiche wurde hinter uns auf Gleis 1 gestellt und zeitgleich fuhren die zwei Waggons mit Mitru-Bácsi an der Bremskurbel los. Nachdem die Waggons an der

Fig.3
Fig. 3

Weiche vorbei waren (Fig.3), fuhren wir wieder zurück über die Weiche (Fig.4) und wurden dann auch zum Gleis 1 geleitet, allerdings schon hinter dem Zug.

Fig.4
Fig. 4

Mitru-Bácsi bremste vor dem Bahnsteig langsam ab (Fig. 5) und die Fahrgäste stiegen aus.

Fig.5
Fig. 5

Wir koppelten die Lok wieder an und schoben den Zug mit dem “Packel-wagen“ vor die Güterhalle. (Fig.6)

Fig.6
Fig. 6

Nach dem Be- und Entladen der Transportgüter fuhren wir den Zug in seine Wartestellung neben den Sauerwasserbrunnen. (Fig.7)

Fig. 7
Fig. 7

Solche Praktiken wären heute, auch für den Busiascher Bahnhof, einfach undenkbar!

Bemerkung: Die Modelldarstellung ist nicht Originalgetreu! Sie dient nur zum besseren Verständnis.

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